„Das Beste ist, wenn ich auf den Tisch haue.“

Christa von Baumbach ist Schiedsfrau und vermittelt in Konflikten zwischen Privatpersonen, damit es nicht zu einem Gerichtsverfahren kommen muss. KUCK hat mit ihr über ihre Arbeit als Mediatorin, ihre Erfahrungen und ihre Motivation gesprochen, ein solches Ehrenamt auszuüben.

© Ronny Friedrich / stock.adobe.com
© Ronny Friedrich / stock.adobe.com

Frau von Baumbach, wie wird man Schiedsfrau?

Man bewirbt sich bei der Stadtverwaltung. Das heißt, diese Stelle wird in der Zeitung ausgeschrieben. Danach wird in der Stadtverordnungsversammlung darüber gesprochen, Voten werden eingeholt und dieses Votum ist zu meinen Gunsten ausgefallen. Das war 2013 nach meinem Ausscheiden aus dem Beruf.

 

Das Motto des Schiedsamtes lautet: Schlichten statt Richten. Wie geht Schlichten?

Das ist ein sehr schwieriger Prozess. Ich mache eigentlich gar nicht viel. Ich höre zu und lenke Gespräche zwischen den Parteien. Das heißt, ich bin eine neutrale Person. Wenn es Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn oder andere Konflikte gibt, erstirbt irgendwann die Kommunikation. Das heißt: Erst beschimpfen sich die Leute. Danach ist zwar Ruhe im Haus, aber der Konflikt brodelt weiter. Und wenn es dann für eine Partei nicht mehr auszuhalten ist, dann kommt diese entweder zu mir oder sie geht zu einem Rechtsanwalt und möchte Anzeige erstatten. Wenn die Leute zu mir kommen, ist ein Gespräch eher möglich, als wenn ein Anwalt vorgeschaltet ist. Denn, wenn sie es dem Anwalt übergeben, dann haben sie sozusagen auch die Verantwortung mitabgegeben, dass er es regeln soll. Oft kommen die Leute auch zu mir mit der Erwartung, dass ich das für sie regle. Das tu ich aber nicht, und das ist ein erster Hinderungsgrund für manche: eine Schwelle, die sie erst mal überschreiten müssen. Oft muss ich, selbst wenn sie in meinem Büro sind, noch Überzeugungsarbeit leisten, dass sie unter meiner Aufsicht wirklich miteinander reden und sich nicht an die Wolle gehen. Das passiert nämlich auch, zumindest verbal. Ich habe auch schon Handgreiflichkeiten gehabt. Dann muss man schon sehr bestimmt auftreten. Aber wie gesagt: Ich regle nichts, ich lenke – mache Rollentausch, wende Mediationstechniken an. Das klappt manchmal, aber manchmal auch nicht.

Christa von Baumbach © privat
Christa von Baumbach © privat

Sie üben dieses Ehrenamt nun seit 10 Jahren aus. Hat sich während dieser Zeit etwas verändert? Oder sind es immer in etwa dieselben Konflikte?

Die gängigsten Konflikte sind kleine Streitigkeiten, Grundstücksfragen, unterschiedliche Meinungen bei der Gartenpflege oder Streitigkeiten um die Grundstücksgrenze etc. Ganz spannend wird es, wenn solche Konflikte als Platzhalter für Antipathie dienen. Oder wenn es sich um Konflikte innerhalb von zwei Familien handelt, die schon seit Generationen schwelen und sich über Jahre hinweg hochgeschaukelt haben. Ganz oft ist es so, dass sich hinter einem banalen Problem meist mehr verbirgt. Dann ist es meine Kunst, das Problem dahinter rauszukitzeln. Das klingt jetzt gemein, aber, wenn die Mandanten bei mir sitzen, ist es daher wichtig, dass sie ihre Fassung verlieren. Es ist also gewollt, dass die Fassade erst einmal bröckelt. Wenn das Eigentliche angesprochen werden kann, die Wut und Aggression raus ist, dann ist vielleicht die Grundlage gegeben, dass zumindest von einer Partei der Kopf wieder frei für konstruktive Lösungen ist. Das ist ein sehr harter Prozess, der nicht oft stattfindet. Wenn eine verhärtete Feindschaft oder Antipathie da ist, dann wird das Problem nicht zu beseitigen sein. Reden wir z. B. von Rassismus. Das ist tatsächlich ein Problem, das sich sehr verändert hat. Wenn ausländische Nachbarn eingezogen sind, wird irgendwas konstruiert, das plötzlich ein riesiges Problem darstellt. Später kommt heraus, dass die eine Partei diese Nachbarn grundsätzlich gar nicht hier haben will. Das hatte ich relativ oft. Meistens sind die Fälle also viel komplizierter, als es sich zu Beginn darstellt. Da habe ich schon manche Nüsse zu knacken. Manchmal geht’s mir dann aber auch auf den Senkel, und zwar so sehr, dass ich in Schlichtungsverfahren auch schon ausgeflippt bin und gesagt habe, dass es mir jetzt reicht. Denn manchmal sitzen wir zweieinhalb Stunden da und sind danach wieder genau am Ausgangspunkt. Dann muss ich einen Schlussstrich ziehen. Das ist deprimierend, aber ich erkläre ihnen dann, dass sie jetzt halt selber schauen müssen, wie sie vor Gericht klarkommen.

 

Im Streit zweier Parteien zu versuchen Lösungen zu finden, hört sich nach einer sehr ernsten Angelegenheit an. Gab es bei Ihnen auch schon lustige Momente?

Die lustigen Momente, die kann man nur mit sich selber im Büro klären. Die Fälle sind mitunter so skurril, dass man sie nicht ernst nehmen kann. Aber ich muss es ja ernst nehmen. Da muss ich dann wirklich schauspielern können, z. B. wenn es um Hundegebell geht. Oder es sitzt einer auf der Bank in der Stadt und kommentiert jeden, der vorbeigeht. Jetzt erwischt er ausgerechnet einen, den das stört, der dann zu mir kommt und sagt: „Der hat gesagt, dass …“ Das sind so Dinge, wo ich denke: „Geht’s noch?“ Ich kann das aber sehr gut verstecken, sodass ich auch die blödesten Sachen ernst nehmen kann.

Zolt4n / stock.adobe.com
Zolt4n / stock.adobe.com

Wie gelingt es, in einer aufgeheizten Situation Ruhe ins Verfahren zu bringen? Gibt es da rhetorische Mittel, die Sie gezielt einsetzen?

Da ich mal Lehrerin war und gelernt habe, dass man immer schön ruhig bleiben soll, habe ich das so versucht. Aber das Beste ist, wenn ich auf den Tisch haue. So richtig hauen. Ich werde dann auch wirklich gespielt emotional, und dann haue ich auf den Tisch. Das hat einen durchschlagenden Erfolg. Es ist irre, aber man hat dann das Gefühl, die Klienten wachen richtig auf. Es gab mal eine Situation, da ist es auf diese Art mit mir durchgegangen. Danach war Ruhe. Jetzt setze ich das eher gezielt ein. Die Methoden müssen natürlich auch zu einem passen. Aber ich finde, das passt zu mir.

 

Im Alltag ist jeder von uns ständig mit Konflikten konfrontiert: in der Partnerschaft, mit den Kindern, Meinungsverschiedenheiten im Freundeskreis, verschiedene Vorstellungen unter Arbeitskollegen … Haben Sie Tipps, wie man Konflikte gut lösen kann?

Ja, das Beste ist, miteinander zu reden. Den Konflikt wirklich anzusprechen. Etwas Negatives oder Bedrückendes zu formulieren, ist immer schwer. Wenn man schweigt, tritt das Problem in den Hintergrund, wird dabei aber immer größer. Es bauscht sich auf. Erstaunlicherweise haben viele Nachbarschaftskonflikte mit Freundschaften angefangen. Also, wie gesagt: reden. Immer reden. Und wenn es auf der Seele brennt, dann erst recht. Hilfreich ist auch, wenn man sich an den W-Fragen orientiert: wann, warum, wie, was, weshalb ... Die W-Fragen geben im Prinzip immer eine Hilfe zur Kommunikation.

Neugierig geworden? Der vollständige Beitrag samt Interview ist nachzulesen im KUCK-Magazin Ausgabe 57 oder kann hier direkt heruntergeladen werden.