„Mir gefällt einfach, das Gute hervorzuholen.“

Seit 20 Jahren arbeitet der KLINIK INFO KANAL mit Matthias-Film zusammen – einer gemeinnützigen Berliner Filmgesellschaft, die anspruchsvolle und inspirierende Filme fördert und verbreitet. Die KUCK-Redaktion sprach mit Geschäftsführer Dr. Stefan Hassels über die Vision und Werte von Matthias-Film und die KIK-Zusammenarbeit ...

© Matthias-Film
Dr. Stefan Hassels, Geschäftsführer von Matthias-Film © Matthias-Film

Herr Dr. Hassels, welchen Film aus Ihrem eigenen Programm haben Sie zuletzt selbst angesehen?

Zuletzt habe ich zwei sehr schöne Filme gesehen, die wir auf der Medienbörse präsentiert haben. Das ist zum einen der Animationsfilm „To be Sisters“, in dem man als Zuschauer über weite Teile des Films gar nicht merkt, was eigentlich los ist mit dem kleinen Kind, das im Mittelpunkt steht. Bis auf einmal rauskommt, dass es behindert ist, aber trotzdem eine unglaubliche Lebensfreude an den Tag legt. Als es dann endlich irgendwann einen Rollstuhl bekommt, entwickelt das Mädchen sogar so viel Dynamik, dass es die große Schwester mitzieht und sich das Ganze dann irgendwann umdreht und sie, die Kleine, auf einmal die Große wird. Ein sehr schöner Kurzfilm. Ebenfalls zu empfehlen und eher lustig ist „Heaven can wait“, in dem es um einen Chor von älteren Männern und Frauen geht, die gemeinsam singen und auftreten, aber gar nicht gewöhnt sind, ihre Gefühle auf diese Weise nach außen zu tragen. Sie tun das dann aber einfach im Rahmen des Chores. Sehr bewegend und schön.

Sie sind seit 2021 Geschäftsführer von Matthias-Film. Was hat Sie damals an dem Konzept von Matthias-Film besonders überzeugt, als sie dorthin gewechselt sind?

Ich komme aus der evangelischen Publizistik und habe vorher bei Chrismon gearbeitet. Daher bin ich mit Themen sehr vertraut, bei denen Menschen in gewisse Situationen kommen, die nicht ganz einfach sind. Das kann Krankheit sein, das können aber auch andere Umstände sein, in die sie geraten. Bei Chrismon gab es dabei immer diesen nach vorne gerichteten Blick: Du kannst das schaffen, andere haben das auch geschafft! Diese Perspektive fand ich immer sehr gut und auch wichtig, weil sie konterkariert, was man sonst in den Medien zu hören bekommt – dort ist alles schwierig und eher schlecht. Mir gefällt einfach, einen positiven Blick aus der schlechten Situation heraus zu entwickeln, das Gute hervorzuholen. Und das ist eben auch bei Matthias-Film so. Daher habe ich mich sehr gefreut, als man mich gefragt hat, ob ich das machen möchte. Zumal ich zwischendurch auch bei einem weltlichen Verlag gearbeitet habe, bei dem ganz andere Dinge wichtig waren. Da ging es schlicht gesagt nur ums Geld. Natürlich geht es auch bei uns ums Geld (lacht). Auch wir müssen überleben, haben keine Förderung oder Ähnliches und sicherlich ist es ein bisschen schwieriger, mit anspruchsvollen Filmen zu arbeiten als mit irgendwelchen Blockbustern. Aber: Es ist auch etwas Besonderes.

Kurzfilmreihe "ALLES ANDERS – Von Stärken und Schwäche" © Matthias-Film
Kurzfilmreihe "ALLES ANDERS – Von Stärken und Schwäche" © Matthias-Film

Nach welchen Kriterien wählen Sie die Filme aus, die in Ihr Programm aufgenommen werden?

Wir schauen uns an, welche Zielgruppe wir erreichen wollen, und gucken, ob der entsprechende Film beispielsweise für die Arbeit in der kirchlichen Gemeinde geeignet ist, ob er für Einrichtungen passt, in denen Leute zusammenkommen und sich das gemeinsam anschauen. Oder eignet er sich möglicherweise für Schüler, um junge Menschen auf das Leben vorzubereiten. Also hilft er, auch aus schwierigen Situationen heraus zu lernen und so weiter. Das sind die Kriterien, nach denen wir Filme auswählen. Wir machen das mit Scouts zusammen, schauen uns auf Festivals um, sichten den Dokumentarfilmbereich, und natürlich bekommen wir auch Vorschläge eingereicht. Bei der Entscheidung pro oder kontra haben wir dann sozusagen das Einstimmigkeitsprinzip. Das heißt, wir müssen wirklich alle von einem Film oder Beitrag überzeugt sein, damit er in unser Programm kommt. Da hat der Vertriebsleiter manchmal eine etwas andere Sicht als die Redaktionsleitung und sagt "um Gottes willen!" (lacht). Andersrum: Wenn es nur nach der Vertriebsleitung ginge, hätten wir ausschließlich 30-minütige Kurzfilme im Programm, Hauptsache, sie verkaufen sich schnell genug. Deswegen müssen wir immer gucken, dass wir eine gute Mitte finden zwischen diesen beiden Polen. Da bin ich als Geschäftsleiter durchaus manchmal als Mediator oder Moderator gefragt.

Inwiefern beeinflusst die enge Verbindung zur evangelischen Kirche Ihre Arbeit und die Auswahl der Filme?

Das ist in der Tat keine leichte Frage. Denn die evangelische Publizistik, auch die Publizistik im Allgemeinen, tut sich unglaublich schwer, diese Themen, für die sie steht – also Barmherzigkeit, Nächstenliebe, Vertrauen und Hoffnung –, zu vermitteln. Das ist in der heutigen Welt so eine Sache, wenn die Leute einfach nur in der Bahn sitzen, sich durch Instagram und TikTok durchdaddeln und sich Katzenvideos oder etwas in dieser Art anschauen. In solch einem Umfeld mit einer einigermaßen guten Botschaft zu kommen, ist nicht einfach. Das funktioniert zum Beispiel überhaupt nicht, indem man es groß draufschreibt. Also wenn Gott und Jesus in großen Lettern draufstehen, schreckt das leider viele Menschen ab. Bestimmte Zielgruppen auch nicht, beispielsweise im freikirchlichen Bereich, da ist es ein großes Thema, dass Jesus und Gott dich lieben, aber in der regulären evangelischen Kirche versuchen sie diese Thematik nicht ganz so offenkundig in den Vordergrund zu bringen, sondern dass Jesus und seine Botschaft einfach in den Filmen drin ist. Genau das versuchen wir auch.

Dokumentarfilm "Mensch sein. Was bedeutet Glück" © Matthias-Film
Dokumentarfilm "Mensch sein. Was bedeutet Glück" © Matthias-Film

Auf Ihrer Website wird das Motto des evangelischen Pfarrers und Publizisten Robert Geisendörfer aufgeführt: „Was evangelische Publizistik kann: etwas öffentlich machen, Fürsprache üben, Barmherzigkeit vermitteln und Stimme leihen für die Sprachlosen.“ Wie vermittelt man heutzutage in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft Werte wie Barmherzigkeit?

Ein besonders schönes Beispiel dafür ist meines Erachtens der Film „Honecker und der Pastor“, der letztes Jahr herausgekommen ist. Darin geht es um das Honecker-Ehepaar, das nach dem Mauerfall die Regierungssiedlung Wandlitz verlassen muss. Die beiden sind praktisch obdachlos geworden. In Lobetal gibt es aber einen Pastor namens Uwe Holmer, der das Ehepaar Honecker dann aufnimmt. Und das obwohl er zwei Kinder hat, die wegen Honecker seinerzeit nicht studieren durften, – die Familie war echten Repressalien ausgesetzt gewesen. Und irgendwann bei einem gemeinsamen Gespräch sagt Honecker: „Ich möchte Ihnen Geld geben, dafür dass wir hier wohnen dürfen.“ Pastor Holmer meint daraufhin: „Sie brauchen mir kein Geld geben, Herr Honecker. Ich brauche keines, ich habe genug Geld.“ – „Ich möchte aber kein Mitleid!“ Uwe Holmer meint dann nur: „Herr Honecker, das ist kein Mitleid, das ist Barmherzigkeit!“ Ich finde, das ist eine bemerkenswerte Aussage, denn obwohl er gute Gründe hätte, es nicht zu tun, verzeiht er ihm. Ein sehr schöner Film!

Wie gehen Sie bei Matthias-Film mit der einerseits zunehmenden Polarisierung und gleichzeitigen Meinungsvielfalt in der Gesellschaft um? Inwiefern haben sich in den letzten Jahren die Schwerpunkte bei den Filmbeiträgen verändert?

Ja, sie haben sich verändert, auf jeden Fall! Wir sind politischer geworden in den letzten Jahren. Seit Beginn der Corona-Krise haben wir sehr viele Filme und Dokumentationen gemacht, die sich mit diesen Verschwörungstheorien, dem rechten Parteienspektrum und entsprechenden Organisationen beschäftigen. Einer der Filme, den ich meine, heißt „Flächenbrand“. Aber auch mit dem allgemeinen Wert der Demokratie haben wir uns befasst. Dabei ist uns wichtig, dass diese Filme aufklären, ohne etwas vorzuschreiben. Also auch Meinungen aufzunehmen, wenn die vielleicht nicht so bequem sind, aber eben damit umzugehen. Und wir haben jetzt noch einen Film in der Planung, der kommt im Herbst raus. Da geht es um soziale Kälte und diese Übergriffe auf Rettungskräfte und die Feuerwehr. Wo jeder sich denkt, wie kann das sein … Aber es ist eben so und wir versuchen dem auf den Grund zu gehen, woher das eigentlich kommt. Wir versuchen herauszufinden, was wir dafür tun können, dass es eben nicht mehr passiert. Da hat sich auf jeden Fall bei uns vom Schwerpunkt her was verändert, weg von den sozialeren oder „christlichen“ Themen hin zu eher politischen Fragestellungen. Das liegt zwar alles eng beieinander, aber man kann das in gewisser Weise schon so differenzieren.

 

Dokumentation "2040 – Wir retten die Welt"  © Matthias-Film
Dokumentation "2040 – Wir retten die Welt"  © Matthias-Film

Welche Themen halten Sie darüber hinaus derzeit gesellschaftlich für besonders relevant?

Auch zum Thema Klimaschutz machen wir immer wieder was. Wir versuchen aber dabei Filme zu finden, die nicht die ganze Last ausgerechnet bei den jungen Leuten ablädt. Wir halten das wirklich für unfair, denn die haben die Probleme am allerwenigsten verursacht und können dafür nicht zur Verantwortung gezogen werden. Wir versuchen eher Filme in der Erwachsenenbildung zu finden, die das Thema für die Verursacher-Generation transparent macht; also was getan werden kann und getan werden sollte, um eben nicht in diese dystopischen Welten zu kommen, die uns allen drohen. Man sieht es ja jetzt bereits an den Unwetterkatastrophen ... Die Jüngeren werden mit den Veränderungen leben müssen, die ältere Generationen sehr wahrscheinlich gar nicht mehr in dieser Form mitbekommen. Wir können das eigentlich nur gemeinsam schaffen. Das ist vor allem im letzten Jahr ein Schwerpunktthema gewesen. In diesem Jahr ist es eher ein bisschen in den Hintergrund getreten zugunsten der Demokratie-Thematik und der Aufklärung darüber, insbesondere für junge Menschen.

Ebenfalls ein Thema ist die Einsamkeit bei jungen Menschen seit der Corona-Jahre. Dem werden wir uns auch widmen. Möglicherweise haben es die jungen Leute vielleicht gar nicht mehr richtig gelernt, miteinander zu interagieren, also auch miteinander ins Gespräch zu kommen. Wenn jeder nur noch vor seinem Handy sitzt, dann findet keine Kommunikation statt, und die ist nun mal das einzige Mittel gegen Einsamkeit. Da geht es also auch um die Mediennutzung bei jungen Menschen; die Einsamkeitsthematik spielt übrigens auch bei älteren Menschen eine Rolle – oder bei Ihrer Zielgruppe, den Menschen in den Kliniken ...

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