„Die Menschen mitnehmen und ein Stück begleiten“

Im aktuellen KUCK-Magazin haben wir uns der krisengeschüttelten Pflegebranche angenommen. Einen ganz persönlichen Einblick liefert dabei das Interview mit einer Intensivpflegerin. Sie berichtet darin von ihrem Beruf, den alltäglichen Belastungen und wie sie damit umgeht …

© Me studio / stock.adobe.com
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Mary Holzapfel ist gebürtige Kenianerin und hat in Nairobi Volkswirtschaft studiert. Sie lebt seit vielen Jahren in Deutschland und ist inzwischen im Bereich der Intensiv- und Anästhesiepflege an einer süddeutschen Klinik tätig. Sie ist verheiratet und hat zwei Töchter im Teeniealter.

Liebe Frau Holzapfel, gerade in den letzten Jahren sind Pflegekräfte extrem herausgefordert gewesen. Vor allem im Bereich der Intensivpflege waren die Belastungen sehr groß. Wie ist es Ihnen selbst während dieser Zeit ergangen?

Also das war eine sehr schwierige Zeit für alle. Die Pflege von Corona-Patienten ist wirklich anstrengend. Mitarbeiter waren lange krank oder haben gekündigt. Die Leute waren gereizt oder einfach erschöpft und müde. Das war nicht einfach. Man braucht einen Ausgleich, dennoch gelingt es einem nicht immer abzuschalten.

Sie selbst sind in Ihrem Beruf ja generell immer wieder Extremsituationen ausgesetzt. Wie gehen Sie damit um? Wird die Belastung auch irgendwann zu groß?

Das gibt es oft (lacht). Es kommt oft vor, dass ich nach Hause zu meinem Mann komme und sage, morgen gehe ich nicht mehr arbeiten. Und dann stehe ich morgens auf und gehe doch wieder zur Arbeit. Also, es gibt solche Momente, wo man nicht mehr weiterkommt, wo man die Arbeit nicht fertig machen kann, wo man unzufrieden nach Hause geht. Oft ist der Patient dann immer noch da, auch in meinem Kopf. Von daher ist es schon belastend, aber ich kann mich räumlich davon trennen. Der Gedanke daran, dass es mir gut geht und die Patienten noch immer im Krankenhaus versorgt werden müssen, gibt mir die Kraft, erneut hinzugehen.

Ich freue mich aber auch, wenn ich frei habe. Ich brauche die Freizeit. Deshalb arbeite ich auch keine 100 %, sondern 80 %. Das ist mein Ausgleich, wieder Kraft zu tanken und am nächsten Tag erneut arbeiten zu gehen.

© Mary Holzapfel

Wie schaffen Sie es, eine gesunde Distanz zur Arbeit zu wahren?

Ich kann im Großen und Ganzen gut abschalten. Ich kann trennen: Das ist die Arbeit im Krankenhaus und jetzt gehe ich nach Hause. Was ich z. B. nicht könnte, ist bei und mit kranken Kindern zu arbeiten. Das würde mir zu nahe gehen. Deswegen arbeite ich gerne mit Erwachsenen. Und wenn mich etwas nicht loslässt, dann versuche ich mich mit etwas anderem zu beschäftigen. Zum Beispiel mit meiner Familie, meinem Zuhause (lacht). Wenn ich nach Hause komme und meine Kinder rumhüpfen, Hausis machen und was weiß ich, dann fällt es mir leichter abzuschalten. Meine Hobbys, wie spazieren zu gehen oder mit meiner Familie etwas zu unternehmen, helfen mir ebenfalls.

Wirft Sie auch mal etwas komplett aus der Bahn?

Ja, wenn junge Patienten schwer krank sind oder z. B. die Long-Covid-Patienten. Das ist etwas, was einen immer zum Nachdenken bringt und manchmal sehr schwierig ist. Vor allem auch wenn man die Angehörigen sieht oder man weiß, dass bei den Patienten noch kleine Kinder zu Hause warten. Das ist schon heftig.

Und wie behalten Sie generell die Nerven? Gerade im alltäglichen Trubel?

Hmm (denkt nach). Also inzwischen sind meine Kinder ja groß, bzw. was heißt schon groß ... Sie sind ein bisschen selbstständiger geworden. Ich sehe sie mittlerweile tatsächlich als eine Art Entspannung. Ich entspanne mich, wenn ich mit ihnen zusammen bin. Das ist für mich Abschalten, egal was sie machen (lacht). Wenn man den ganzen Tag mit kranken Menschen arbeitet, dann hat man oft einen anderen Blick auf gewisse Dinge. Ich bin z. B. froh, dass meine Kinder gesund sind. Wenn ich sehe, dass meine ganze Familie gesund und munter ist, ist das schon schön und auch auf eine Art und Weise entspannend. Man weiß das mehr zu schätzen.

In Ihrem Berufsalltag haben Sie es oft mit Ängsten und Sorgen der Patienten zu tun. Wie ermutigen Sie diese? Gibt es dafür ein Geheimrezept?

Auf der Intensiv hat man es immer mit Schwerkranken zu tun: Schaffen sie es, schaffen sie es nicht ...?! Das nagt schon an den Menschen, auch an den Angehörigen. Man versucht natürlich, ihnen die Hoffnung zu geben, dass sie wieder gesund werden. Aber manchmal muss man schon auch die Wahrheit sagen, wie es um den Patienten steht, gerade in Gesprächen mit Angehörigen. Die Seelsorge und Beratung helfen einem dabei. Es gibt viele Möglichkeiten, die Menschen mitzunehmen und ein Stück zu begleiten, egal in welche Richtung sich die Situation entwickeln wird. Wir versuchen jedenfalls so gut wie möglich zu unterstützen. Aber ein Geheimrezept gibt es nicht (lacht). Es kommt einfach auf den Umgang an. Man darf nicht vergessen, dass wir mit Menschen und nicht mit Dingen arbeiten. Das heißt, menschlich zu bleiben und die Patienten und Angehörigen auch so zu behandeln; ihre Ängste und Sorgen ernst zu nehmen und sie so gut wie möglich zu verstehen, zu beraten und zu begleiten. Zumindest versuchen wir es.

Neugierig geworden? Der vollständige Beitrag samt Interview ist nachzulesen im KUCK-Magazin Ausgabe 56 oder kann hier direkt heruntergeladen werden.